Veröffentlichungen

ACTA ORGANOLOGICA 35 - Kurze Zusammenfassungen

Klaus Beckmann

Spielpraktische Überlegungen zu Dietrich Buxtehudes Praeludium C/136

Während die „Alten Meister“ heute meistens nach dem Geschmack des jeweiligen Organisten gespielt werden, wird von J. J. Froberger berichtet, dass er eifersüchtig über stilgerechte Aufführung seiner Kompositionen gewacht habe („rechte Discretion“). Inakzeptabel für Orgelmusik des Barocks sind heuzutage Interpretationsansätze wie H. Riemanns auftaktige Phrasierungslehre (1882) und M. Duprés „légato absolu“ (1927).
In der „Figurativen Eröffnung“ (T. 1-13:2) ragen aus dem durch Sekundgänge geprägten Umfeld zwei fallende Intervalle hervor, Quarte + Terz. Ihre Einlagerung in Metrik und Rhythmik qualifiziert diese 2+2 Töne als „Ditrochäus“ (–v–v). J. G. Walther formuliert 1708, dass differenzierte Betonung unbedingt hörbar gemacht werden muss (die zweite Note artikulatorisch jeweils „kürtzer und leiser exprimiret“). Walther fußt auf G. Diruta und W. C. Printz. Buxtehudes Sechzehntelkontinuum ist somit nur dann sachgemäß gespielt, wenn Quarten und Terzen deutlich ditrochäisch artikuliert werden.
Bei der „Dupeltaktfuge“ (T. 13:3-45) ergibt sich zunächst ein 2/2-Takt mit paarweiser Unterteilung 1-2, 3-4, sodann markieren insbesondere 4-Achtel-Gruppen ein ditrochäisches Raster mit weiteren 2+2-Sechzehntel-Untergliederungen. Entscheidend ist nicht die mathematische Teilung, sondern jenes Betonungsgefälle, das Printz 1668 „Quantitas intrinseca“, J. G. Walther 1708 „Quantitas accentualis“ genannt haben - dem „Longum“ folgt stets ein „Breve“. Subjekt (Thema) und Kontrasubjekt weisen Figuren auf, die Chr. Bernhard um 1660 als „Superjectio, Syncopatio catachrestica“ und „Mora“ beschrieben hat.
Im „Rhapsodischen Zwischensatz“ (T. 46–56) erfordert die expressive Deklamation der Oberstimme(n) einen agogisch flexiblen Begleitsatz. Buxtehude pflegt die Diminution (sein Repertoire an Verzierungen) detailliert auszunotieren, um die gestische Eleganz der Ornamente sicherzustellen. Diskutiert werden die Anschlagsarten für Buxtehudes individuelle Lösungen (1-Note-Vorschlag, 2- und 3-Noten-Vorschläge).
Das Thema des „Fugato“ (T. 55-65) ist aus dem Comes der Dupeltaktfuge abgeleitet: seine Zweiteiligkeit ist ungewöhnlich, ebenso seine Abrundung mit einer Finalis am Taktende.
Mit den Kontrasubjekten Ks3 und Ks4 wird im Sinne des "Dreifachen Kontrapunkts" aus der Grundformkombination die Tauschform hergestellt. Weil damit die fugierende Energie aufgebraucht ist, wird der Satz durch figurativ-fortspinnende Arbeit (Sequenzierung) fortgesetzt (als „Freie“ figurative „Endung“).
Die „Tripeltaktfuge mit Freier Endung“ (T. 66-96) bietet erneut eine Verarbeitung von Dux und Comes mit zwei weiteren Kontrasubjekten im Dreifachen Kontrapunkt. Danach unterbleibt jedoch die Fortsetzung der Fugierung, stattdessen kommt es zu einer Fortspinnung (Fragmentierung, Stretto, Sequenzierung) bzw. zu tokkatisch-motorischer Entwicklung. Trochäische Tripel dominieren den 12/8-Takt, volltaktige Motivik rivalisiert mit auftaktigem Duktus. Heiterkeit der Gigue und Schlussposition erinnern an M. Weckmanns Probespiel von 1655 („zum beschluß in Vollen Werck eine Lustige Fuge“), 30 Jahre später überbietet Buxtehude jedoch das traditionelle Fugenkonzept durch virtuos-tokkatisches Figurenwerk.

[Acta Organologica 35, 2017, 321-338]


Fabian Brackhane

Die Orgel als Prototyp der künstlichen Spracherzeugung

Bereits im Altertum, aber auch noch im Mittelalter (und sogar darüber hinaus) ging von rätselhaften künstlichen Körpern und „sprechenden Köpfen” eine eigenartige Faszination aus, auch wenn es sich hier um bloße Taschenspielereien handelten. Seit dem 17. und 18. Jahrhundert - zu einer Zeit, als man sich für Maschinen und Automaten aller Art begeisterte und auch viele neue Erfindungen gemacht wurden - begann man ernsthaft, nach Möglichkeiten zu suchen, eine Maschine zu konstruieren, mit deren Hilfe sich auf künstliche Weise eine Sprache realisieren lassen sollte. Der Mathematiker Leonhard Euler (1707-1783) hielt es für möglich, über eine Orgel-Klaviatur und Pfeifen Sprachlaute und Wörter hervorzubringen. Konstrukteure wie Christian Gottlieb Kratzenstein und Wolfgang von Kempelen bemühten sich um eine Lösung der vielfältigen Probleme; doch kam man trotz einiger erstaunlicher Erfolge im Grunde über die Bildung von Vokalen und einigen wenigen Konsonanten wie m und p nicht hinaus. Somit blieb auch der Wunsch György Ligetis (1923-2006) nach einer „sprechenden Orgel“ unerfüllt.

[Acta Organologica 35, 2017, 339-368]


Jurij Dobravec

Orgelbau unter dem Einfluss von „Art nouveau“ und „Modern Style“ in Slowenien

Im Laufe der historischen Entwicklung der Orgel drückte sich die Parallelität der äußeren Erscheinung und der klangerzeugenden Teile im Inneren immer wieder anders aus. Zu Ende des 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts herrschte der so genannte Funktionalismus vor, der sich in extremen Fällen weit vom Werkprinzip entfernte, ja sogar von einer Ästhetik, wie sie einem sakralen Raum anstünde. Der Art-nouveau-Stil in Slowenien ist gekennzeichnet durch eine enge Zusammenarbeit von Orgelbauern, Architekten und Designern, was in einigen interessanten Beispielen des vergangenen Jahrhunderts zum Ausdruck kommt, meist inspiriert von Stilen vergangener Jahrhunderte und einer Kreuzung venezianischer und zentraleuropäischer Praxis des Orgeldesigns. Sechs von ihnen – aus der Periode vor dem I. Weltkrieg – werden im ersten Teil vorgestellt und diskutiert. Im zweiten Teil wird ein Überblick über die Zeit zwischen den Kriegen gegeben, zusammen mit der Beschreibung einiger Beispiele. Der letzte Teil handelt von positiven und negativen, persönlichen, sozialen und politischen Einflüssen auf den Orgelbau jener Zeit in diesem Gebiet.

[Acta Organologica 35, 2017, 223-268]


Hermann Fischer

Historische Positive in Bayern

Der Beitrag enthält eine Bestandsaufnahme und Beschreibung von historischen Positiven in Bayern. Nicht erfasst wurden Positive in Privatbesitz, Brüstungs- bzw. Rückpositive oder fest installierte Kleinorgeln in Kirchen und Kapellen. Insgesamt 118 Positive aus der Zeit bis etwa 1850 werden nach dem Ortsalphabet beschrieben: Gehäuse, Disposition, Bauweise, Erbauer und Baujahr (soweit bekannt) sowie Geschichte. Es handelt sich um einen Katalog im Sinne der Orgeldenkmalpflege und um Hinweise auf den bedeutenden Schatz von Instrumenten in Bayerns Kirchen, Museen und Schlössern (ohne Berücksichtigung des aktuellen technischen Zustands).

[Acta Organologica 35, 2017, 75-140]


Bernhard Hörler

Der Orgelbauer Anton Dernič in Radovljika (Slowenien)

Anton Dernič (9. Januar 1879 - 2. Juli 1954) war in den Jahren 1903-1907 bei der Schweizer Firma Goll in Luzern als Intonateur tätig und arbeitete anschließend bei H. Voit & Söhne in Durlach bei Karlsruhe. 1910 eröffnete er in Radovljika seine eigene Werkstatt. Für den Zeitraum 1910-1928 werden hier 14 Arbeiten (darunter 12 Neubauten) genannt. Seine Intonationskunst wurde gerühmt, ebenso die Präzision seiner pneumatischen Traktur.

[Acta Organologica 35, 2017, 269–278]


Gabriel Isenberg

Siegerländer Orgelbauer im 18. und 19. Jahrhundert

Im 18. und 19. Jahrhundert gab es im Siegerland (Nordrhein-Westfalen) drei ansässige Orgelbauer, deren Wirkungsbereich sich aber auch über die Grenzen des Siegerlandes vor allem nach Hessen und Rheinland-Pfalz hin erstreckte.
Johann Gottlieb Hausmann (1713-1777) war gebürtig aus Sachsen und kam nach Wanderjahren ins Siegerland, wo er sich um 1760 in Oberholzklau und ab 1767 in Siegen niederließ. Er baute mehreren Positive und eine größere Orgel in Beilstein, deren Gehäuse bis heute erhalten ist.
Arnold Boos (1751-1817) trat 1777 die Nachfolge Hausmanns an. Er hatte seine Werkstatt in Niederndorf bei Freudenberg. Von ihm sind nur die Orgelneubauten in Niederfischbach (1777-81) und Gebhardshain (1789-94) bekannt. Außerdem baute er ein Orgelwerk für eine Uhr. Hausmann und Boos waren beide privilegierte Orgelbauer in den Nassauischen Landen.
Der aus Siegen gebürtige Hermann Loos (1809-1869) eröffnete 1839 seine eigene Orgel- und Klavierwerkstatt in Siegen. In seinem Werk lässt sich der technische und klangliche Fortschritt des Orgelbaus im 19. Jahrhundert ablesen. Er baute insgesamt 7 neue Orgeln, u. a. die Lettner-Orgel des Doms zu Wetzlar (1847/48). Er verstarb 1869 während des Baus der Orgel in seiner Heimat-Pfarrkirche St. Marien, Siegen. Das Instrument wurde von Edmund Fabritius vollendet.

[Acta Organologica 35, 2017, 141-191]


Christhard Kirchner

Beiträge zum Wirken des Hamburger Orgelbauers Arp Schnitger in Berlin

1. Im Jahre 1707 ersetzte Arp Schnitger das Positiv der Sebastianskirche in der Vorstadt Cölln durch eine zweimanualige Orgel mit 24 Registern. Die Kirche wurde 1750 abgerissen und ihre Orgel (umgebaut) im Jahre 1853 in der neuen Kirche (ab 1802: Luisenstadt-Kirche) durch Peter Migendt wieder aufgestellt. Ernst Marx reparierte sie 1770, erbaute dann aber doch im Jahre 1774 eine neue Orgel, wobei er einige Schnitger-Register mitverwendete. Diese Orgel bestand bis zum Jahre 1841.
2. In den Jahren 1707 und 1708 erbaute Schnitger für St. Nikolai zu Berlin eine neue dreimanualige Orgel mit 40 Registern, mit Verwendung von Teilen der Vorgängerorgel. 1768-69 nahm Ernst Marx eine große Reparatur vor; 1791 baute er die Orgel um, entsprechend dem musikalischen Geschmack, der sich inzwischen stark gewandelt hatte. Im Jahre 1846 wurde das Instrument durch eine neue Orgel von Carl August Buchholz ersetzt.
3. Die Kirche St. Marien in Bernau in der Mark erhielt 1710 eine Scherer-Orgel (III/38) im Gehäuse von Hans Scherer dem Älteren (1573), die bis zu einem Neubau von Wilhelm Sauer (1864) Bestand hatte.
4. Die kleine Schnitger-Orgel (1713) der nicht mehr bestehenden Kirche von Döberitz im Osthavelland kam 1897 in die Kirche des Nachbarorts Ferbitz, ist aber dort verschwunden, als der Ort im Jahre 1938 militärischen Zwecken zum Opfer fiel.
5. Berlin, Sophienkirche. Hier stellte Franz Caspar Schnitger 1714 ein Positiv auf, das bis 1789 benutzt und im folgenden Jahr durch eine neue Orgel von Ernst Marx ersetzt wurde.

[Acta Organologica 35, 2017, 11-38]


Dietmar J. Ponert

Die Orgelprospekte Ludwig Münstermanns
Rotenburg an der Wümme (1608) · Varel (1615) · Delmenhorst (1618) · Oldenburg (1635) · Berne (1638)

Ludwig Münstermann, geboren zwischen 1575 und 1580 wahrscheinlich in Bremen, gestorben zwischen März 1637 und Dezember 1638 in Hamburg, gilt als der eigenwilligste Bildhauer in Holz und Stein im protestantisch-nordeuropäischen Stil des Manierismus, den er in sehr persönlicher Gestaltung zu ungewöhnlich expressiver Wirkung führte.
Sein als erstes überlieferte Werk ist der auf 1608 datierte Prospekt für die Orgel Hans Scherers d. Ä., welche dieser im Auftrag Herzog Philipp Sigismunds von Braunschweig-Lüneburg und Bischof von Verden und Osnabrück in dessen Schlosskapelle zu Rotenburg an der Wümme aufstellte. Dessen in großen Teilen erhaltene Teile sind heute in einer zu revidierenden Rekonstruktion im Bremer Focke-Museum ausgestellt. Ursprünglich gab es dazu ein vom Bildhauer geschaffenes Porträt-Medaillon des Orgelbauers, welches leider verloren ist. Ein bisher unveröffentlichtes Porträt Hans Scherers d. Ä. befindet sich am Prospekt seiner Orgel in Kirchlinteln. Auf den Pfeifentürmen sitzen die Figuren von König David und des Apollo sich musizierend gegenüber. Im Wettstreit besiegt der biblische König den resignierenden antiken Gott: eine wohl ebenfalls einzigartige Ikonographie, die sicher auf den Auftraggeber zurückgeht.
Gleiche Bildinhalte haben die Gestaltung des Orgel-Prospekts bestimmt, die Münstermann im Auftrag des Grafen Antons II. von Oldenburg-Delmenhorst für die Schlosskirche in Varel im Jahre 1615 schuf. Von diesem ist lediglich die Standfigur des Gottes Apollo erhalten, die sich heute im Berliner Bode-Museum befindet. Sie zeigt in besonderer Weise den genialen persönlich-expressiven Stil des Bildhauers, der alle emotionalen Phasen im Prozess von hörender Wahrnehmung bis hin zum bescheidenen Bekenntnis der Unterlegenheit gegenüber dem Sänger des biblischen Gottes in transitorischer Gleichzeitigkeit darzustellen vermag.
Vom Prospekt der Orgel, die 1618 im Auftrag des Grafen von Christian Bockelmann (?) in der Stadtkirche in Delmenhorst aufgestellt wurde, haben sich lediglich zwei kleine Standfiguren musizierender Engel in Privatbesitz von der Hand Münstermanns in Privatbesitz erhalten.
1635 erbaute Gerd Kröger für die Lambertikirche in Oldenburg die bis in die beiden letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts größte Orgel in der nordwestdeutschen Küstenregion, über die sich Arp Schnitker noch 1711 bei einem Besuch höchst anerkennend äußerte. Ludwig Münstermann ist jedoch für die Gestaltung des Prospektes auf Grund einer genauen Kritik der Quellenüberlieferung nicht in Anspruch zu nehmen.
Am Altar in Berne befindet sich eine Standfigur des harfespielenden Königs David (Abb. 19). Sie wurde von dem Bremer Bildhauer Albrecht Wulff geschaffen, der den Altar nach dem Entwurf Ludwig Münstermanns ausgeführt wurde, und stammt ursprünglich vom Rückpositiv der Orgel. Am Altar ersetzt sie die Figur des Kirchenpatrons St. Ägidius.

[Acta Organologica 35, 2017, 39-74]


Alfred Reichling

Prospektentwürfe im Zeichen der „Heimatkunst“.
Der Architekt Oskar Hoßfeld als Gestalter von Orgelprospekten

Unter die zahlreichen geistigen Bewegungen in Deutschland zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gehörte auch der Gedanke des „Heimatschutzes“, also der Bewahrung der Umwelt des Menschen vor Verschandelung wie z. B. die Veränderung ländlicher Gebiete durch monströse Werbung oder den Bau von bombastischen großstädtischen Gebäuden inmitten einer landwirtschaftlich geprägten Landschaft. Hieraus erwuchs die Idee einer „Heimatkunst“, die sich ebenso auf Literatur wie auf Malerei oder Architektur bezog.
Diesem Gedankenkreis schloss sich auch der Architekt Oskar Hoßfeld (1848–1915) an, der als Leiter des staatlichen Bauwesens für ganz Preußen zahlreiche Entwürfe für Landkirchen gemacht hat, und zwar nicht bloß für die Gebäude, sondern auch für die innere Ausstattung einschließlich der Orgeln. Er veröffentlichte das Buch „Stadt- und Landkirchen“, dessen zweite Auflage (1907) den Gegenstand des vorliegenden Artikels bildet. Hoßfeld verstand sich selbst als „Traditionalist“ und scheute nicht davor zurück, auf Stilelemente vergangener Kunstepochen zurückzugreifen. Er verfiel dabei jedoch nicht in einen Historismus, sondern er verstand es, seinen Entwürfen für Orgelgehäuse ein eigenes Gepräge zu geben. Diese sind als Zeugnisse ihrer Entstehungszeit auch heute noch von hohem Interesse.

[Acta Organologica 35, 2017, 279-320]


Denzil Scrivens

Die Orgel der St John’s Cathedral zu Brisbane und die Pläne der Architekten Pearson für ihre Gestaltung

Die wohl bedeutendste neugotische Kathedrale Australiens, St John in Brisbane (Queensland), geht auf Entwürfe von John Loughborough Pearson († 1897) und Frank L. Pearson, Vater und Sohn, zurück. Beide gehören zu den wichtigsten englischen Architekten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Aus Mangel an Geldmitteln wurde zunächst in den Jahren 1908-1910 der Ostteil (mit Apside, Chor und Querschiff) fertiggestellt; 1965 erfolgte eine Verlängerung des Schiffs nach Westen. Erst in den Jahren 1989-2008 folgten Südwest- und Westportal zusammen mit den Türmen und der Vollendung der Vierungskuppel.
Am 30. November 1910 wurde die Orgel von Norman & Beard (London & Norwich) eingeweiht. Sie war von der Firma B. B. Whitehouse & Co. (Brisbane) installiert worden. Nach röhrenpneumatischem System gebaut, wies sie drei Manuale (Great, Choir, Swell & Solo) und Pedal auf. Aus Sparsamkeitsgründen wurden zunächst nur 23 von 50 geplanten Registern nach der Disposition des Organisten George Sampson eingebaut. In den Jahren 1912, 1913, 1915 und 1924 kamen noch sieben Register hinzu, sodass die Orgel zuletzt über 30 Register verfügte. Frank L. Pearson hatte Prospekte für das Querschiff (Great) und den Chor (Choir) entworfen, die aber nicht ausgeführt wurden. Die zugehörigen Zeichnungen hat der Verfasser im Jahre 2015 aufgefunden. Der Hauptprospekt im Querschiff wurde erst 1924 mit stummen Pfeifen bestückt, jedoch ohne die von Pearson vorgesehene Umkleidung mit einem Gehäuse.
In den Jahren 1970-1972 wurde die Orgel umgebaut und auf vier Manuale erweitert. Das Choir wurde etwas höher gesetzt, so dass darunter noch ein Positiv mit 9 Registern Platz hatte. Die Spanish Trumpet 8’ des Solo verleiht seither dem Choir-Prospekt einen besonderen Akzent. Das Swell erhielt ein fein geschnitztes ornamentales Gitter zum Chorraum hin. Die Orgel wies nun (einschließlich Transmissionen und Extensionen) 80 Register auf. In den Jahren 2008-2010 nahm W. J. Simon Pierce (Brisbane) einige Änderungen der Disposition vor. Heute verfügt die Orgel über 81 Register.

[Acta Organologica 35, 2017, 203-222]


Franz-Josef Vogt

Orgelbau und Ökumene


Während heute der zwanglose Umgang zwischen evangelischen und katholischen Christen zum Alltag gehört und in vielen gemeinsamen Aktivitäten nach außen sichtbar wird, wäre dies um die Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu undenkbar gewesen. Man stand sich skeptisch, wenn nicht sogar ablehnend gegenüber.
Ursache dafür war sicherlich eine restriktive Kirchenpolitik des preußischen Staates gegenüber den Katholiken in Westfalen und in der Rheinprovinz, die im „Kulturkampf“ (1875) ihren Höhepunkt fand. Diese politische Konstellation wirkte sich naturgemäß auf das Miteinander (besser: Gegeneinander) der Konfessionen und damit auch auf den Orgelbau aus.
Im 18. Jahrhundert waren noch evangelische Orgelbauer (z. B. Stumm) für katholische Auftraggeber und katholische (z. B. König) für evangelische tätig. Aber spätestens nach 1850 erfolgte eine konfessionelle Abschottung bei der Vergabe von Orgelaufträgen.
Ein Blick in die Werklisten führender deutscher Orgelbauer seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zeigt deutlich, dass evangelische Unternehmer (etwa Sauer und Walcker) in erster Linie für evangelische Kirchen tätig waren, während sich katholische Gemeinden in der Regel an solche ihrer Konfession (z. B. Klais oder Stahlhuth) hielten.
Diese starre Haltung sollte erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts ins Wanken geraten, als es der Werkstatt Klais gelang, auch Aufträge für evangelische Gemeinden zu bekommen, und es im Gegenzug die Kölner Werkstatt von Willi Peter erreichte, auf „katholischem Boden“ Fuß zu fassen.

[Acta Organologica 35, 2017, 193-202]