Veröffentlichungen
ACTA ORGANOLOGICA 32 - Kurze Zusammenfassungen
Martin Balz
Die deutsche Orgeltabulatur und ihr Einfluss auf das Spiel
Musik für Tasteninstrumente wurde im deutschen Sprachraum traditionell meist in der sogenannten „deutschen Orgeltabulatur“ notiert, die bis kurz nach 1700 gebraucht wurde. Es wird untersucht, wie das Spiel nach einer Tabulatur sich vom Spiel nach Noten auf zwei bis drei Systemen unterscheidet, wie es bis heute üblich ist. Notenschrift ist nicht nur eine Spielanweisung, sondern erlaubt dank ihrer Anschaulichkeit auch das Lesen und Analysieren einer Komposition, während eine Tabulatur in erster Linie nur eine Spielanweisung ist, die Lesen und Analysieren eingeschränkt erlaubt und nicht die Stimmführung wiedergibt, sondern die Komposition als Folge von (Akkord-)Griffen interpretiert. Das hat zur Folge, dass beim Spiel nach einer Tabulatur der Spieler mehr ,ausführendes Werkzeug‘ ist und erst bei mehrmaliger Wiederholung in ein Stück und seinen Charakter tiefer eindringen, also einer Interpretation im eigentlichen Sinne näherkommen kann. Wegen dieses Nachteils wurde die deutsche Orgeltabulatur zu Beginn des 18. Jahrhunderts endgültig von der Notenschrift abgelöst.
Die Partiturdarstellung von Musik für Tasteninstrumente bei Samuel Scheidt (Tabulatura nova, 1624) und Michael Praetorius diente dem Studium und der anschließenden Anfertigung einer Tabulatur für das Spiel, worauf beide Autoren ausdrücklich hinweisen. Auf diese Weise konnten die beschriebenen Nachteile der Tabulatur teilweise ausgeglichen werden.
Die Notierung instrumentaler Ensemblemusik in Tabulatur wie z. B. in Kantaten Buxtehudes hatte offensichtlich den Zweck, diese Musik so wiedergeben zu können, wie es heute durch einen Klavierauszug möglich ist.
[Acta Organologica 32, 2011, 367-378]
Christian Binz
Die Orgel des ehemaligen Zisterzienserinnen-Klosters zu Oberwesel.
Ihr Erbauer Otto Reinhard Metzenius und das hölzerne Principal
Im Jahre 1805 wurde in der katholischen Pfarrkirche St. Martin zu Waldhilbersheim die Orgel des aufgehobenen Zisterzienserinnen-Klosters von Oberwesel aufgestellt. Diese Orgel war vermutlich um 1726 durch den Orgelmacher Otto Reinhard Metzenius erbaut worde. 1925 erlitt sie durch einen Brand schwere Schäden, so dass heute nur noch der obere Teil des Gehäuses erhalten ist.
Der aus Hessen stammende Orgelbauer Metzenius war um 1700 in der Gegend um Schwäbisch Hall tätig, ab 1708 wirkte er im Rheinland und im Hunsrück und ab ca. 1734 im Elsass, wo er 1743 starb.
Die Orgeln von Metzenius zeigen eine Vorliebe für ein hölzernes Principal-Register im Innern des Gehäuses. Dieses Register findet sich auch bei den mittelrheinischen Meistern Johann Friedrich Macrander und Johann Michael Stumm. Letzterer kannte wohl Metzenius-Orgeln. Macrander hatte das hölzerne Principal bei seinem Lehrmeister Paulus Prescher in Nördlingen kennengelernt. Auch Metzenius könnte es in Nordwürttemberg kennengelernt haben.
[Acta Organologica 32, 2011, 125-142]
Christoph Bossert
Die Singularität des süddeutschen Klangprinzips innerhalb der europäischen Klangstile nach 1670 als Wurzel der romantischen Orgel
Beschrieben wird das Klangprinzip der süddeutschen Orgel im Blick auf
das Grundstimmenkonzept im Sinne der „Unterscheidlichen“;
das Prinzip der Schattierung durch die echoartige Verbindung von zwei Manualen als Pars major und Pars minor;
die Charakteristika im Anspracheverhalten von Streichern und Flötenstimmen;
das Aliquotkonzept;
das Mixturenkonzepts;
die Zungenstimmen;
die Besetzung mit Registern in 16'- und 32'-Lage.
Der Autor sieht weiterhin eine zunehmende Tendenz zur Koppelung von Manualen, wodurch das Crescendoprinzip ermöglicht wird und das Prinzip der klanglichen Vermittlung zur allmählichen Abkehr vom "Werkprinzip" führt.
Diese Entwicklungen, wie sie ab 1670 in Europa allein durch die süddeutsche Orgel vollzogen wurden, führten zu einer neuen Flexibilität des Orgelklangs. Diese Flexibilität basiert auf dem Prinzip der klanglichen Vermittlung und Schattierung und bedeutet im Blick auf die Nutzung von Grundregisterfarben eine Abkehr vom Paradigma des Äqualverbots, wie es zunächst bis zum 17. Jahrhundert Gültigkeit besaß. Es werden auf diese Weise klanglich fein nuancierte Übergänge in gänzlich neuer Weise möglich. Aus der Summe der diskutierten Phänomene erwachsen die Grundvoraussetzungen für die Entstehung der romantischen Orgel, wie sie im 19. Jahrhundert durch den Orgeltypus Eberhard Friedrich Walckers paradigmatisch formuliert wurde.
[Acta Organologica 32, 2011, 35-50]
Hermann Fischer
Von Engeln, Musikanten und anderen Symbolfiguren an Orgelprospekten
Als die staatliche Denkmalpflege am Anfang des 20. Jahrhunderts auch die Orgel als obligaten Bestandteil der kirchlichen Ausstattung begriff , richtete sie ihr Augenmerk in erster Linie auf das alte Gehäuse, insbesondere auf die künstlerische Ausgestaltung des Prospekts, des „Gesichts“, wie man früher auch sagte. Dabei handelt es sich um die Beschreibung der architektonischen Gliederung mit den Pfeifengruppen, der künstlerischen Umkleidung durch Schnitzdekor und der Ausstattung durch Figurenwerk, das in der Regel oberhalb des Gehäuses, also im Randbereich, angebracht ist. Gotische Flachgehäuse besaßen bemalte Flügeltüren oder kunstvolles Gesprenge, waren also altarähnlich gestaltet. In der Renaissance und der anschließenden Barockzeit übernahmen markante Türme die Gliederung der mehr und mehr dreidimensional gestalteten Orgelfassaden und boten so die Möglichkeit zur Aufstellung von Figuren auf den Gesimskränzen.
Der Figurenschmuck symbolisierte ein ständig musizierendes „himmlisches Orchester“ durch geflügelte Engel (mit Musikinstrumenten) oder stellte Szenen aus der Heilsgeschichte dar. In der vorliegenden Studie werden die verschiedenen Darstellungsweisen beschrieben und durch Beispiele belegt: Das Engelskonzert oder die Musik des Himmels; Engel gibt es als Jünglinge oder Kinder (Putten), sie spielen Blas- und Streichinstrumente oder sind Sänger. Der König David mit der Harfe wurde schon im späten Mittelalter Symbolfigur der Kirchenmusik wie später auch die Hl. Cäcilia mit dem Positiv. Christus als Salvator, Gottvater als „Auge Gottes“, Maria als Immaculata oder mit dem Jesuskind, Engel und Heilige mit ihren Attributen sind häufig als Kirchenpatrone dargestellt.; Himmelskörper wie Sterne (Zimbelstern), Sonnen, seltener der Mond, sind Symbole der „Sphärenmusik“, eine andere Form von Musik in der Schöpfung. Tiere kommen seltener vor, am häufigsten als Adler, dem Preußischen Wappentier, oder als Pelikan. Die Barockzeit liebte auch bewegliche Figuren: Adler, die mit den Flügeln schlagen, Engel, die Instrumente ansetzen oder taktieren.
[Acta Organologica 32, 2011, 11-34]
Markus T. Funck
Orgelrestaurierungen in Stralsund
Die Hansestadt Stralsund gehört mit ihren drei großen Kirchen in Backsteingotik und ihren wertvollen Orgeln zu den prominenten Orgelzentren im Ostseeraum. In St. Marien steht die große Orgel aus dem Jahr, 1659 von Friedrich Stellwagen aus Lübeck. Carl August Buchholz aus Berlin hat die Orgeln in der Heiliggeistkirche (1829), in St. Nikolai (1841) und im Vorort Voigdehagen (1846) erbaut. Von Friedrich Albert Daniel Mehmel aus Stralsund stammt die Orgel in St. Jakobi (1877).
In den Jahren 2004–2008 wurde die Orgel in St. Marien von Kristian Wegscheider (Dresden), Hans van Rossum (Andel, NL) und Gunter Böhme (Dresden) restauriert. Die Restaurierung der Orgel von St. Nikolai erfolgte in den Jahren 2003–2006 durch die Firmen Kristian Wegscheider und Klais (Bonn).
[Acta Organologica 32, 2011, 51-75]
Wolfram Hackel (Hrsg.)
Mitarbeiter der Orgelbauwerkstatt Kreutzbach zu Borna
Urban Kreutzbach (1796–1868) entwickelte seine 1828 in Borna (Landkreis Leipzig) gegründete Orgelbauwerkstatt zur führenden und leistungsfähigsten in Sachsen. Sie wurde 1868–1875 erfolgreich von seinen Söhnen Richard (1839–1903) und Bernhard (* 1843) zusammen und danach von Richard Kreutzbach allein bis 1903 fortgeführt.
Die Werkstatt war das Ziel zahlreicher Orgelbauer auf der Wanderschaft auch aus weiter entfernten Gegenden Deutschlands, die hier und teilweise in weiteren renommierten Werkstätten tätig waren. Aus den Quellen im Stadtarchiv Borna waren namentlich über 100 Orgelbauer (84) und Tischler (31) zu ermitteln, die hier, ergänzt durch biographische, organologische und bibliographische Daten, vorgestellt werden. Beachtlich ist die Zahl von mehr als 30 Orgelbauern, die später in eigenen Werkstätten tätig waren. Zu diesen zählen Friedrich Ladegast, Gotthilf Bärmig, Julius Strobel, Friedrich Gerhardt, Hermann Kopp, Emil Wiegand und daniel Roetzel. Mit den vorgestellten Orgelbauern sind auch die Ausbreitungswege der Kenntnisse im Orgelbau nachvollziehbar.
[Acta Organologica 32, 2011, 263-296]
Roland Hentzschel
Der Orgelbauer Johann Gottlieb Mauer
Der Orgelbauer Johann Gottlieb Mauer ist zwischen 1764 und 1803 im historischen Sachsen nachweisbar. Als Universitätsorgelmacher in Leipzig war er sehr geachtet; durch seine Arbeiten an der Orgel in der Kirche St. Thomas wurde er weit über Leipzig hinaus bekannt. Seine Orgel für Tegkwitz (1769) steht heute im Händel-Haus zu Halle an der Saale. Der Artikel fasst alle bekannten Quellen zur Person und zu den Werken Mauers zusammen.
[Acta Organologica 32, 2011, 143-154]
Max Reinhard Jaehn
Die Dispositionssammlung des Orgelbauers Theodor Vogt (Lübeck)
Theodor Vogt (1811–1884), ausgebildet von Johann Gottlob Mende in Leipzig, war von 1833 bis 1872 als Orgelbauer in Lübeck tätig, danach von 1872 bis zu seinem Tode als Organist. Von den wenigen Orgeln, die er erbaut hat, sind zwei erhalten. Seine Haupttätigkeit war die Pflege und Reparatur der vielen, zumeist großen und alten Instrumente in der Stadt und ihrer Umgebung. Etwa 1843 legte er eine Sammlung von 30 Dispositionen an, die er im Laufe seiner Tätigkeit als Orgelbauer gesammelt hatte. Noch bis etwa 1848 ergänzte er die Angaben. 1978 wiederentdeckt, wird die Sammlung nunmehr in einem kommentierten Abdruck herausgegeben.
[Acta Organologica 32, 2011, 191-229]
Max Reinhard Jaehn
Orgelpfeifen für den Sieg!
Kriegs-Bürokratie in Norddeutschland 1917 und 1944
Erstmals in der Geschichte des Instruments Orgel wurde im I. Weltkrieg im reichsdeutsch-österreichischen Raum für den Rohstoffbedarf der Rüstung und Kriegswirtschaft Zinn aus Orgelpfeifen staatlich erfasst, beschlagnahmt und ausgebaut. Der Vorgang entwickelte sich in Planung und Durchführung mit formal-bürokratischer Genauigkeit und mündete in einen verwaltungstechnischen Aufwand, der für das dritte Kriegsjahr erstaunlich, ja makaber wirken muss. Mit der Menge der damals produzierten Akten liefern die norddeutschen Archive noch heute Belege für alle Einzelschritte dieser Aktion. Auch ist regional eine mengenmäßige Bilanz des Zinnaufkommens von 1917 möglich. Es ergibt sich nicht nur ein Ausblick auf die Ersatzlösungen an den ihrer Prospekte beraubten Orgeln, sondern auch auf die Versuche, die Beschlagnahme zu verhindern oder zu umgehen.
1944 erinnerte man sich der Rohstoffgewinnung aus Orgeln und wollte die Pfeifenbeschlagnahme wiederholen. Die Kriegslage und weitere hier dargestellte Probleme verhinderten indes die Durchführung, Zurück blieb ein flächendeckender Bestand an Meldebögen. Er wird bis heute als eine Art deutschlandweite Orgel-Inventarisierung für die Forschung genutzt.
[Acta Organologica 32, 2011, 319-365]
Martin Kares
Die Ferdinand-Stieffell-Orgel aus dem Karlsruher Schloss und ihr Schicksal
Für die zwischen 1752 und 1775 erbaute Kirche des Karlsruher Schlosses erbaute im Jahre 1786 der Rastatter Orgelbauer Ferdinand Stieffell (1737–1818) eine neue Orgel. Diese erhielt – entgegen der sonst üblichen Bauweise – ein Unterwerk statt eines Rückpositivs und eine frei stehendem Spieltisch.
1871 wurde diese Orgel durch Louis Voit aus Durlach in die evangelische Kirche zu Langensteinbach versetzt. Unzulängliche Aufstellung auf einer Altarempore und Umbauten (1900, 1951) entstellten das Instrument. 1957 versetzte Peter Vier die Orgel auf die obere Etage einer neuen Emporene am hinteren Ende der Kirche und machte in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege aus dem Unterwerk ein Rückpositiv.
Im Jahre 2009 wurde die Orgel durch die Werkstätten Martin Vier und Andreas Schiegnitz erneut umgestaltet. Das Ziel war eine Verbesserung des technischen Zustands und und eine stärkere Annäherung des Klangbilds an den Stieffelschen Ursprung. Es konnte hierbei nicht um eine Rekonstruktion der ursprünglichen Orgel gehen, sondern lediglich um eine Neuorganisation des vorhandenen Materials mit Ergänzungen. Alle erhaltenen Originalteile wurden in ihrer Substanz nicht angetastet. Waren sie durch spätere Eingriffe entstellt und aus ihrem originalen Kontext herausgerissen, wurden sie bearbeitet. Mit den Leistungen der Vorgängergenerationen sollte dabei möglichst respektvoll umgegangen werden.
[Acta Organologica 32, 2011, 155-172]
Konrad Küster
Peter Heydorn.
Zwei Biographien in der norddeutschen Orgelkunst
„Peter Heydorn“ ist der Name zweier Musiker des späten 17. Jahrhunderts. Bei Hinweisen müssen deshalb die beiden Personen dieses Namen voneinander unterschieden werden. Der ältere Namensträger, der zunächst in Hamburg und Krempe und schließlich in Itzehoe an einer imposanten Orgel wirkte, büßte diesen Posten 1693 ein, nachdem er zum zweiten Mal außerehelich ein Kind gezeugt hatte; er floh daraufhin nach England und starb vermutlich 1715. Er war Onkel des jüngeren Namensträgers, geboren 1674. Dieser bewarb sich erfolglos um Organistenposten am Hamburger Dom sowie in Rendsburg und Lüneburg (St. Johannis, neben Georg Böhm) und starb 1702 ebenfalls in London, wo er als Organist an St Martin in the Fields gewirkt hatte.
Die unter dem Namen Peter Heydorn überlieferten Kompositionen sind alle dem älteren Namensträger zuzuweisen, der mit ihnen innerhalb der norddeutschen Orgelkunst als Vertreter eigener Kunstprinzipien erscheint.
[Acta Organologica 32, 2011, 379-404]
John Maidment / Mark Tuckett
William Anderson – ein Orgelbauer des 19. Jahrhunderts in Melbourne
William Anderson war – zusammen mit George Fincham und Alfred Fuller – einer der drei führenden Orgelbauer des späteren 19. Jahrhunderts in Melbourne (Australien). 1832 in London geboren, emigrierte er im Jahre 1850 zusammen mit seinen Eltern nach Melbourne. Sein Vater war Klavierbauer. Melbourne wurde später zu einer wohlhabenden Stadt mit nahezu einere halben Million Einwohner. 1864 hielt er sich nochmals in England auf (wohl bei Gray & Davison in London), um den Orgelbau zu erlernen. Im Ganzen erbaute er etwa 25 Orgeln für Victoria und Tasmania. Außerdem stellte er eine Reihe von gebrauchten Orgeln auf, die er in Zahlung genommen hatte.
Seine Instrumente waren konservativ gestaltet; sie entsprachen dem englischen Stil der Mitte des 19. Jahrhunderts. Disposition, Gehäuse und Spieltische waren weitgehend standardisiert. Die Metallpfeifen bezog er von seinem Konkurrenten Fincham oder auch aus England, während er Holzpfeifen, Traktur und Windladen selbst fertigte. Etliche seiner Instrumente sind weitgehend unverändert erhalten geblieben. Er starb 1921 ind Brighton (Victoria).
[Acta Organologica 32, 2011, 231-262]
Alfred Reichling
Zwischen Josephinischer Reform und Biedermeier.
Orgelbauer und Orgelbau im südwestdeutschen und alpenländischen Raum in schwerer Zeit
Zu allen Zeiten wurden Orgeln nicht nur gebaut, sondern auch zerstört, sei es durch Kriege, Brandkatastrophen, Bilderstürmer oder reinen Vandalismus. Der Artikel bietet Beispiele für Orgelverluste im Gefolge der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege in den 1790er Jahren und im frühen 19. Jahrhundert. Die Reformbestrebungen des aufgeklärten Kaisers Joseph II. führten schon in den 1780er Jahren in den habsburgischen Ländern zu Schließungen von Klöstern. Dies wurde in weiteren Territorien durch die Säkularisation von 1803 fortgesetzt. Damit fielen die Klöster als Auftraggeber für größere Orgelbauten aus. Hinzu kam, dass auch wegen der allgemeinen Verarmung der Bevölkerung in dieser schweren Zeit nur sehr wenige neue Orgeln gebaut werden konnten. Der Niedergang der Orgelbauerfamilie Holzhey in den beiden letzten Generationen nach dem Tod von Johann Nepomuk (1809) ist symptomatisch für die damalige Situation. Erst ab etwa 1820 begann der Orgelbau allmählich wieder aufzublühen.
[Acta Organologica 32, 2011, 173-189]
Alfred Reichling
Eine Firmenschrift von Heinrich Schiffner (1898)
Heinrich Schiffner (1853–1938), Orgelbauer in Prag, publizierte im Jahre 1898 eine Werbebroschüre von 22 Seiten, in der er sich zunächst als Fortsetzer einer Prager Orgelbau-Tradition vorstellt, die durch die Familie Gartner (fünf Generationen) und anschließend seinen älteren Bruder Karl Schiffner (1836–1894) geprägt wurde. Er selbst leitete die Firma seit 1888, baute zunächst Orgeln mit mechanischen Schleifladen und ging 1896 zur Röhrenpneumatik über. Auf sechs Seiten behandelt er ausführlich dieses neue System, insbesondere auch die Frage der Oktavkoppeln (Super- und Suboktavkoppel, vor allem für kleineren Orgeln). Es folgen Regeln für die Gestaltung von Angeboten, um den Kunden Kriterien für deren Beurteilung an die Hand zu geben. Das Verzeichnis seiner im Verlauf von zehn Jahren erbauten Orgeln umfasst 96 Nummern. Zitate von Beurteilungen seiner Instrumente bilden den Schlussteil der interessanten Broschüre, die als Faksimile wiedergegeben ist.
[Acta Organologica 32, 2011, 297-318]
Jiří Sehnal
Die Orgel im Leben und Werk Leoš Janáčeks
Die Orgel spielte im Leben von Leoš Janáček (1854–1928) eine nicht unbedeutende Rolle. Als Sohn eines Dorflehrers kam Janáček bereits in seiner Kindheit in Kontakt mit der Orgel. Als Kapellknabe im Augustinerkloster Staré Brno (Altbrünn) bei Brünn (1865–1869) lernte er unter der Leitung des Chorregenten Pavel Křížkovský auf der dortigen alten Barockorgel das Orgelspiel. In den Jahren 1874–1875 studierte er an der Orgelschule Prag, wo er neue Strömungen im Orgelbau kennenlernte. Zusammen mit seinem ehemaligen Lehrer Křížkovský setzte er sich 1876 für den Bau der ersten Orgel mit Kegelladen in Mähren ein. Das Werk (II/25) wurde als Op. 146 der Firma G. F. Steinmeyer & Co. im Augustinerkloster zu Altbrünn errichtet. Der Klang dieser Orgel hat Janáček sehr beeindruckt; er war für ihn fortan das Ideal des Orgelklangs par excellence.
Von 1881 bis 1919 war Janáček Direktor der Orgelschule Brünn. Merkwürdigerweise erteilte er selbst nie Orgelunterricht; auch war er nie an der Prüfung neuer Orgeln beteiligt. Seine Haupt-Lehrgegenstände waren Harmonielehre und Improvisation, und sein kompositorisches Interesse galt immer mehr dem dramatischen Schaffen, insbesondere der Oper. Trotzdem spielte er bei Veranstaltungen der Schule Orgel, wobei er improvisierte. Seine Improvisationen sollen sich nach Berichten ehemaliger Schüler der durch erfindungsreiche Kumulation und Steigerung der kurzen Motive und unerwartete harmonische Wendungen ausgezeichnet haben. Eine thematische Verarbeitung war ihm jedoch fremd.
Janáček hat nur wenige Orgelkompositionen hinterlassen. Seine ersten Orgelwerke zeigen noch typische Züge eines Absolventen der Prager Orgelschule, aber auch den Einfluß der Klangmöglichkeiten der Steinmeyer-Orgel, dazu kommen einige interessante harmonischen Wendungen und unregelmäßige Rhythmen.
In seinem reifen Schaffen verwendete er merkwürdigerweise die Orgel effektvoll in Werken, in denen sich ihr Vorkommen vom Thema her eigentlich nicht begründen ließ. Hier seien die sequenzartigen Orgelsoli über einem Orgelpunkt in der orchestralen Rhapsodie Taras Bulba (1921) genannt. Am häufigsten wird das Postludium zur Glagolitischen Messe (1927) gespielt. Dieses offensichtlich am Klavier komponierte Stück zeigt deutlich die kompositorischen Züge des reifen Meisters: ein hartnäckiges Wiederholen kurzer rascher Motive mit erstaunlichen, sich fortwährend ändernden Harmonien.
[Acta Organologica 32, 2011, 405-438]
Hermann von Strauch
Orgelchronik der Stadtkirche St. Martin zu Zschopau
Nach einem Stadtbrand (1634) wurde die Kirche St. Martin neu erbaut und 1649 engeweiht. Die neue Orgel von Christoph Donat dem Älteren (1625–1706) konnte 1660 eingeweiht werden. Nach einem abermaligen Brand im Jahre 1749 erbaute Jacob Oertel (gest. 1762) 1753–55 eine Orgel mit zwei Manualen und 33 Registern, deren Gehäuse bis heute erhalten ist. Ihr Vorbild war die Orgel von St. Petri in Freiberg von Gottfried Silbermann. Diese Orgel wurde 1812 von Johann Christian Günther und 1865 von Christian Friedrich Göthel repariert. Guido Hermann Schäf pflegte die Orgel in den Jahren 1874–90. 1932 nahm die Firma A. Schuster und Sohn (Zittau) einen Umbau (pneumatisch) vor. Anlässlich eines Neubaus durch Georg Wünnung im Jahre 1996 (letzte Arbeiten 2003) wurde die ursprüngliche Disposition wiederhergestellt.
[Acta Organologica 32, 2011, 77-124]