Veröffentlichungen
ACTA ORGANOLOGICA 26 - Kurze Zusammenfassungen
Wolfgang Bauer
Der Orgelbauer Christoph Opitz aus Dobra (1813-1885)
Christoph Opitz erlernte den Orgelbau bei Hartmann Bernhard (1773-1839) in Romrod bei Alsfeld (Hessen). Im Jahre 1839 vollendete er zusammen mit Joh. Georg Markert die letzte Orgel seines Lehrmeisters in Ober-Hörgern. Danach machte er sich in Dobra (Kreis Altenburger Land) selbständig. Seine erste Orgel erbaute er im Jahre 1844 für die evangelische Kirche in Mehna (zwei Manuale, 13 Register), seine letzte Orgel lieferte er 1879 nach Jauern (ein Manual, 6 Register). Die Opusliste von Opitz umfaßt insgesamt 33 Instrumente, davon 21 zweimanualig (11-26 Register).
Der ältere Sohn Carl Friedrich Edmund (1846-1925) erlernte den Orgelbau, wurde aber Gastwirt. Der jüngere Sohn Karl Friedrich Bruno (1850-1878), ebenfalls Orgelbauer, starb jung an Typhus. Christoph Opitz war zuletzt krank und depressiv und erhängte sich schließlich.
[Acta Organologica 26, 1998, 243-288]
Bernhard Billeter
Die alte Tonhalle-Orgel im Neumünster Zürich
Im Jahre 1872 erbaute Johann Nepomuk Kuhn eine Konzertorgel für die "Tonhalle" (sogenannte "Alte Tonhalle") in Zürich (zwei Manuale, 30 Register), die 1895 in die "Neue Tonhalle" transferiert wurde. Dieses Instrument wurde 1927 auf drei Manuale und 70 Register vergrößert, 1939 und 1951 umgebaut. Im Jahre 1987 mußte sie einer neuen Orgel (Steinmeyer und Kleuker) weichen. Sie fand schließlich eine neue Heimat in der Neumünsterkirche, wo sie von der Firma Th. Kuhn (Männedorf) aufgestellt und 1995 eingeweiht wurde. Wegen der andersartigen Platzverhältnisse mußte die Gesamtregisterzahl auf 52 reduziert werden. (Vgl. dazu auch den Artikel des Verf. in AOl 22, 1991, S. 359-370.)
[Acta Organologica 26, 1998, 39-46]
Josef Burg
Anton Bruckner und Frankreich
Es handelt sich um den Versuch, Konzertbesprechungen und Notizen zu den Aufenthalten von Anton Bruckner in Nancy und Paris in einem größeren Zusammenhang darzustellen und damit frühere Publikationen zu ergänzen. Ein chronologischer Überblick im Anschluß an die Arbeit soll zur Verdeutlichung beitragen.
Über Bruckners Mitwirkung bei der Orgelweihe in Saint-Epvre (Nancy) berichtet insbesondere die lokale Presse: «L´Espérance», «L'Impartial de l'Est», «Journal de la Meurthe et des Vosges». Auch die Pariser Presse: «Le Ménestrel», «La France Musicale», «Revue de musique sacrée, ancienne et moderne», nimmt, wenn auch im Abdruck, davon Notiz.
Über den Pariser Aufenthalt, der sich im privaten Rahmen abspielte, liegt wenig vor. Interessant ist lediglich ein kurzer Artikel der «Réforme Musicale», der bisher keine Beachtung gefunden hat.
Bruckner war angesichts seiner mangelhaften französischen Sprachkenntnisse auf Übersetzungen von Freunden angewiesen, die manchmal eine Quelle von Mißverständnissen sein konnten. Er wurde vor allem durch den ihm damals noch wohlgesonnenen Eduard Hanslick zur Teilnahme an den Konzerten der Orgelweihe in Saint-Epvre bewogen. Hanslick, der zur Orgelkommission gehörte, konnte ihn auf Grund seiner hervorragenden Sprachkenntnisse auf seine Aufgabe vorbereiten.
Bruckner war an den beiden Einweihungskonzerten (28. und 29. April 1869) beteiligt. Er hat am 27. April das ziemlich allgemein gehaltene Gutachten der Orgelkommission mitunterzeichnet. Der Artikel der «Réforme Musicale» (abgedruckt in der Lothringer «Espérance») ist der einzige Beleg für Bruckners Pariser Aktivität (1. - 17. Mai 1869). Außer im Hause Merklin-Schütze und in Notre-Dame soll er in der Trinité und in Saint-Sulpice auf den dortigen Cavaillé-Coll-Orgeln gespielt haben.
Das Haus Merklin-Schütze hatte Bruckner eingeladen, um dessen neue Produktion (kleinere und preisgünstigere Instrumente) kennenzulernen und vorzuführen.
Der damals hochgeschätzte Renaud de Vilbac hatte offensichtlich seinen österreichischen Kollegen als Vorführorganist empfohlen. Im Hause Merklin-Schütze musizierte er zusammen mit dem blinden Organisten und Komponisten Pierre Edouard Hocmelle, der etwa die gleiche Stilrichtung wie Renaud de Vilbac vertrat.
Alexis Chauvet, Titulaire der Cavaillé-Coll-Orgel der Trinité, der Bruckner das Improvisationsthema in Notre Dame stellte, war mit den Werken J. S. Bachs vertraut und lieferte gehaltvollere Kompositionen als die genannten französischen Kollegen. Er mag Bruckner eingeladen habe, die Orgel der Trinité kennenzulernen.
Auch Saint-Saëns und César Franck, die zuweilen auf Kritik stießen, weil sie im wesentlichen nicht dem Zeitgeschmack huldigten, gehörten zu Bruckners Bewunderern. Ihr Prüfungsabschluß durch die am Konservatorium geforderte Konkurrenzprüfung («concours») und die von Renaud de Vilbac, Hocmelle und Chauvet werden zum Vergleich mit der Orgelausbildung von Bruckner, der bei allen hervorragenden Bewertungen keine Konkurrenzprüfung ablegte, herangezogen.
[Acta Organologica 26, 1998, 11-38]
Zdenek Fridrich
Orgeln und Drehorgeln aus Pekarov.
Das Wirken der Familie Kolb
Als Fortsetzung der Tradition des barocken Orgelbaus waren in Mähren im 18. Hahrhundert einige kleinere Werkstätten entstanden. Sie konnten sich trotz starker Konkurrenz (Rieger in Jägerndorf [Krnov], Brauner in Unicov und Neusser in Neutitschein [Nový Jicín]) durchsetzen. Entscheidend waren hierbei nicht nur ihre niedrigen Preise, sondern auch hr künstlerischer Geschmack und ihre Redlichkeit.
Dies läßt sich gut am Werk der Orgelbauerfamilie Kolb in Pekarov [Beckengrund] zeigen. Franz Kolb (1843-1922) begann im Jahre 1864 mit der Herstellung von Drehorgeln. 1875 baute er seine erste Orgel. Seit 1887 waren seine drei Söhne Josef (1866-1938), Franz (1868-1940) und Johann (1870-1947) Mitarbeiter. Die Firma trug nun den Namen "Franz Kolb und Söhne, Beckengrund". Im Jahre 1914 zog sich der Vater zurück, und die Firma hieß fortan "Franz Kolbs Söhne". Zu dieser Zeit arbeiteten in der Werkstatt bereits vier Enkel mit. Der Betrieb florierte bis 1939.
Von Anfang an wurden Drehorgeln von zweierlei Art gebaut: Pfeifen- und Zungeninstrumente verschiedener Größe. Die Stückzahl der Serien ging von 1864 bis 1939 in die Tausende. Die Instrumente wurden nicht nur in viele europäische Länder, sondern auch nach Amerika und Asien geliefert.
Bis jetzt lassen sich 17 Orgeln nachweisen, die aus der Werkstatt Kolb hervorgegangen sind. Es handelt sich um kleine Instrumente, anfangs mit Schleiflade und mechanischer Traktur, später mit Kegellade. Sie sind handwerklich vollkommen; sämtliche Mechanismen funktionieren bis heute zuverlässig. Bei den Prospekten überwiegen in der ersten Etappe geschmackvolle romantische Tendenzen, in den letzten drei Jahrzehnten weisen die Gehäuse eine künstlerisch feine barockisierende Form auf. In dispositioneller und klanglicher Hinsicht sind die Orgeln - mit Ausnahme der beiden ersten, die von barocken Vorbildern beeinflußt sind - als konventionell romantisch zu bezeichnen.
[Acta Organologica 26, 1998, 319-344]
Felix Friedrich
Erfahrungen mit einer konsequent restaurierten historischen Orgel als Konzertinstrument
Der Autor ist Organist der Orgel in der Schloßkirche Altenburg, erbaut 1735-39 von Heinrich Gottfried Trost. Diese Orgel wurde 1974-76 von der Firma Eule (Bautzen) restauriert und teilweise rekonstruiert. Jeder Organist, der auf einer solchen Orgel spielt, muß sich den gegebenen Möglichkeiten anpassen und fähig sein, falls nötig, Details einer Komposition so zu arrangieren, daß sie sich aufführen lässt. Dann wird er die reichen klanglichen Ressourcen des Instruments voll ausschöpfen können. Polyphone Strukturen und auch dissonante Klänge kommen hier besonders gut zur Wirkung. Deshalb haben seit 1979 namhafte Komponisten 22 Werke speziell für diese Orgel geschaffen,
[Acta Organologica 26, 1998, 175-180]
Frank-Harald Gress
Künftige Orgeln für die Dresdner Frauenkirche.
Aspekte - Funktionen - Konzepte
Die Dresdner Frauenkirche entstand 1726-43 nach Plänen von George Bähr und weiteren namhaften Künstlern; sie wurde 1945 zerstört. Nachdem sie nun "in enger Anlehnung an die Originalpläne" und "entsprechend den Grundsätzen archäologischer Rekonstruktion" wieder aufgebaut wird, wird auch der Nachbau der barocken Innenausstattung und der Orgel von Gottfried Silbermann (1736) angestrebt. Hierfür sprechen folgende Gründe:
1. Mit der ursprünglichen Innenarchitektur kann auch die berühmte Raumakustik wiederhergestellt werden.
2. Das Orgelgehäuse und der Altaraufbau stellen eine architektonische Einheit dar. Ein neuer Prospekt oder eine neue Orgel hinter der Bähr-Fassade stünde im Widerspruch zum Gesamtkonzept.
3. Für den Bau anders gearteter Orgeln bieten zahlreiche weitere Dresdner Kirchen Möglichkeiten.
4. Die Orgeln Gottfried Silbermanns sind zum großen Teil gut erhalten und können als Vergleichsobjekte dienen.
5. Die Aufgaben der Hauptorgel (Verwendung in Liturgie und Konzert) sind mit einer konsequenten Kopie grundsätzlich zu erfüllen.
Für weitere Aufgaben können an verschiedenen Orten der Kirche zusätzlich kleinere Instrumente aufgestellt werden.
[Acta Organologica 26, 1998, 143-156]
Hans Gerd Klais
Rekonstruktion historischer Orgeln.
Erfahrungen - Tendenzen
Die Rekonstruktion einer Orgel kann allenfalls den augenblicklichen Wissensstand dokumentieren; sie wird im Vergleich zum Original niemals "alles" erreichen können, ganz zu schweigen von der "Seele". Sie ist nichts anderes als die Interpretation von Kenntnissen. Der Glaube. ein verlorengegangenes Original durch eine Kopie zu neuem Leben erwecken zu können, ist ein bloßes Luftschloß. Der Verfasser schlägt vor, die neue Orgel für die Frauenkirche mit einer Rekonstruktion des Silbermann-Prospekts, der Silbermann-Disposition und der alten Kammerton-Stimmung (ein Halbton tiefer) zu bauen, jedoch gleichzeitig moderne technische Möglichkeiten zu nutzen: keine strenge Rekonstruktion, sondern eine Neuschöpfung, die auch der Musik unserer Zeit gerecht wird.
[Acta Organologica 26, 1998, 157-164]
Heinz Majewski
Die Wilhelm-Sauer-Orgel der Reformierten Kirche in Ronsdorf
Im Jahre 1908 erbaute Wilhelm Sauer (Frankfurt an der Oder) für die Evangelisch-Reformierte Kirche in Ronsdorf (seit 1929 ein Ortsteil von Wuppertal) eine Orgel mit 30 Registern auf zwei Manualen und Pedal (Kegelladen, pneumatische Traktur). Das späromantisch disponierte Instrument (Sauer-Opus 1026) überstand beide Weltkriege ohne nennenswerte Schäden.
Im Zuge einer Kirchenrenovierung erhielt das dunkellasierte offene Rahmengehäuse 1957 eine deckende, hellgraue Farbfassung. Zugleich wurde ein Metallzierband entfernt, das den dreiteiligen Freipfeifenprospekt zusammenfaßte. 1955 wurde der schadhafte Magazinbalg stillgelegt und 18 Jahre später demontiert. An die Stelle des ursprünglichen Elektrogebläses trat ein neuer elektrischer Winderzeuger, den man seinerseits 1973 austauschte. Weder dieses Schleudergebläse, noch ein neu installierter, als Ersatz für das Magazin bestimmter Schwimmerbalg stellten die Windversorgung der Orgel hinreichend sicher. Seit Ende der sechziger Jahre führten verschlissene Tonmembranen zu Anspracheverzögerungen und Tonausfällen; es wurde deshalb überlegt, von pneumatischer auf elektrische Traktur umzustellen. Das Vorhaben blieb aus konservatorischen Gründen unausgeführt. Im Jahre 1975 wurde versucht, die Funktionsfähigkeit der Membranen durch Erhöhung des Winddrucks zu sichern. Stärkere Beanspruchung des Membranleders und ein Verlust an Klangschönheit der Orgel infolge übermäßiger Betonung der Klangkraft waren die Folgen.
Eine Restaurierung des Instruments durch die heutige Firma Sauer (seit 1994 in Müllrose bei Frankfurt a. d. Oder) m Jahre 1995 umfaßte die Rekonstruktion der Windanlage bei gleichzeitiger Herabsetzung des Winddrucks auf 103 mm WS (Schwellwerk, Pedal, Traktur) bzw. 87 mm WS (Hauptwerk), den Austausch aller Membranen der Ton- und Registertraktur, eine Neuintonation des originalen Pfeifenwerks und die Überarbeitung des Spieltischs. Gleichzeitig erhielt das Gehäuse einen Anstrich in Elfenbeinton mit goldfarbenen Akzenten.
[Acta Organologica 26, 1998, 47-84]
Uwe Pape
Friedrich Hermann Lütkemüller, Wittstock
Lütkemüller ist eine der interessantesten Orgelbauer-Persönlichkeiten in Norddeutschland. Er wurde 1815 in Papenbruch geboren und lebte nach seiner Ausbildung bei Friedrich Turley, Carl August Buchholz, Gottfried Heise und Eberhard Friedrich Walcker bis zu seinem Tode 1897 in Wittstock, einer Kleinstadt zwischen Berlin und Rostock. Lütkemüller baute ausschließlich Orgeln mit Schleifladen und spezialisierte sich auf Kleinorgeln mit drei bis acht Registern. Viele seiner Werke sind noch erhalten, darunter auch zwei- und dreimanualige Instrumente. Seine größten noch erhaltenen Orgeln stehen in Seehausen (Altmark) und im Dom zu Güstrow.
Eine Besonderheit in Lütkemüllers Schaffen war die Konstruktion einer Doppeltraktur, mit deren Hilfe man von einem Manual aus mit unterschiedlichem Tiefgang zwei verschiedene Windladen anspielen konnte. Nachdem er 1863 eine Orgel dieser Bauart nach Marwitz bei Berlin geliefert hatte, beantragte Lütkemüller ein Patent, das ihm 1880 unter Nummer 11708 zugesprochen wurde. Die eigentliche "Patentorgel" wurde 1882 in Sydow aufgestellt. Die Orgel in Marwitz ist bis auf die Prospektpfeifen unverändert erhalten. Das Werk in Sydow dagegen wurde abgebaut; nur die Windlade des Hauptwerks wurde in einer neuen Orgel wiederverwendet.
Lütkemüller gehört zwar nicht zu jenen Meistern seines Faches, die weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus Ruhm erlangt haben; seine Orgeln zeichnen sich aber durch hervorragende Qualität und eine bemerkenswerte Bindung an klassische Orgelbauprinzipien aus. Er lieferte über 180 Orgeln, vermutlich sogar mehr als 200 Instrumente, für die Prignitz, die Altmark, das Havelland und für Mecklenburg. Wenn auch die Zahl der Instrumente mittlerweile deutlich dezimiert wurde, so konnten doch zahlreiche Orgeln aus der Wittstocker Werkstatt in den letzten Jahren gereinigt, spielbar gemacht oder sogar restauriert werden.
[Acta Organologica 26, 1998, 289-318]
Alfred Reichling
Zur Genealogie der Passauer Orgelbauerfamilie Butz
In der organologischen Literatur nahm die Zahl von Passauer Orgelbauern mit dem Namen Butz (Putz) im Laufe des 20. Jahrhunderts immer mehr zu. Wurden 1931 noch drei Familienmiglieder genannt, so stieg die Zahl der angeblichen Orgelbauer Butz bis 1977 schließlich auf nicht weniger als sieben an.
Der Grund hierfür liegt
1) im Fehlen wichtiger Passauer Kirchenbücher (Matrikel);
2) in falschen Eintragungen in den Matrikeln (u. a. werden Handschuhmacher und Klempner fälschlich als Orgelbauer apostrophiert);
3) im unkritischen Umgang der Autoren mit dem vorhandenen archivalischen Material und einschlägigen Veröffentlichungen.
Schwierige und langwierige Forschungsarbeit machte es endlich möglich, die Verhältnisse aufzuklären. Übriggeblieben sind nur drei (bereits 1931 genannte) Orgelbauer mit Namen Butz: Andreas (gest. 1657), sein Sohn Jakob (gest. 1693) und dessen Sohn Martin (1666-1704).
Die Ausführungen zur Biographie der Orgelbauer Butz werden durch eine Liste der nachweisbaren Arbeiten ergänzt.
[Acta Organologica 26, 1998, 165-216]
Rosi Schwabe
Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Rekonstruktion der Silbermann-Orgel in der katholischen Hofkirche Dresden
In den Jahren 1966 bis 1989 wurde der 1945 zerstörte ornamentale und figürliche Schmuck des Prospekts der Orgel in der katholischen Hofkirche Dresden durch Walther Thürmer und Rosi Schwabe zum größten Teil rekonstruiert. Als Hilfsmittel standen in der Hauptsache zwei Fotografien aus der Vorkriegszeit zur Verfügung. Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeiten war das Einarbeiten in Stil und Technik des 18. Jahrhunderts. Leider hatten Fehler bei der fotogrammetrischen Auswertung der Fotos zu Fehlern am rekonstruierten Gehäuse geführt, so daß sich für das Einfügen der geschnitzten Ornamente und Figuren zum Teil große Schwierigkeiten ergaben.
Aus den gemachten Erfahrungen lassen sich folgende Anregungen für künftige ähnliche Aufgaben ableiten:
1. Vor Beginn der Arbeiten muß ausreichend Zeit für Planungen zur Verfügung stehen.
2. Alle Beteiligten (Experten, Architekten, Orgelbauer, Bildhauer, Maler) müssen von Anfang an zusammenarbeiten.
3. Alle Unterlagen (Fotos, Zeichnungen usw.) müssen jedem jederzeit zugänglich sein.
4. Für die Zusammensetzung des Teams müssen fachliche Qualifikationen ausschlaggebend sein, nicht finanzielle Gesichtspunkte.
5. Um ein einheitliches Gesamtergebnis zu erhalten, sollten die Arbeiten unter einer künstlerischen Oberleitung stehen.
6. Die Arbeiten sollten zwischendurch nicht unterbrochen werden, damit ihre Qualität gleich bleibt und sich vielleicht sogar noch steigert.
7. Für die Durchführung der Arbeiten muß reichlich Zeit kalkuliert werden. Mangelhafte Ergebnisse auf Grund von Zeitdruck schaden dem Ruf der Ausführenden und den Interessen des Auftraggebers.
[Acta Organologica 26, 1998, 165-174
Karl Tittel
Kriegs- und Nachkriegsverluste unter den Orgeln von Leipzig
Während des 2. Weltkriegs wurden in Leipzig 25 Kirchen ganz oder größtenteils zerstört, ferner das berühmte "Gewandhaus" und das Konservatorium. In all diesen Gebäuden gingen auch die Orgeln verloren.
In der Johanniskirche befand sich das Grab von Joh. Sebastian Bach. Die Orgel war 1897 von Ernst Röver erbaut und 1931 von Alfred Schmeisser umgebaut worden. Von den damals geplanten 66 Registern konnten vor dem Krieg nur 54 realisiert werden.
Die Matthaeikirche besaß eine Orgel von Gebr. Jehmlich (1898, 43 Register), die 1938 von Hermann Eule umgebaut worden war.
In der Erlöserkirche in Leipzig-Thonberg stand eine Orgel von Friedrich Ladegast (1873, 23 Register). Diese wurde 1939 von Gebr. Jehmlich umgebaut und auf drei Manuale mit 43 Registern vergrößert.
Die Andreaskirche besaß eine Orgel von Wilhelm Sauer (1893, 31 Register), welche die Firma Hermann Eule im Jahre 1940 auf drei Manuale und 34 Register vergrößert hatte.
Diese vorgenannten vier Kirchen wurden nach dem Krieg nicht mehr aufgebaut.
Am 30. Mai 1968 wurde auf Befehl des Kunstbanausen Walter Ulbricht die Universitätskirche St. Pauli, die schönste Leipziger spätgotische Kirche, gesprengt. Mit ihr ging die Orgel unter, ursprünglich erbaut von Joh. Gottlob Mende (1843, 31 Register), 1915 durch Jahn & Sohn auf vier Manuale und 92 Register vergrößert, zuletzt 1948 durch die Firma Hermann Eule umgestaltet.
Mit dem Gewandhaus wurde eine Walcker-Orgel (1884), 1909 von W. Sauer auf 62 Register vergrößert, zerstört.
Das ehemalige Konservatorium verlor nicht nur seine Konzertorgel mit 74 Registern von W. Sauer (1927), sondern auch eine Reihe von Übungsorgeln.
Schließlich wurden auch die Orgeln in der Aula der Universität (H. Eule, 1938) und die Karl-Straube-Orgel des Musikwissenschaftlichen Institus der Universität (P. Furtwängler & Hammer, 1929) Opfer sinnloser Zerstörung.
[Acta Organologica 26, 1998, 85-142]
Rudolf Walter
Der Orgelbauer Michael Engler der Jüngere, Breslau.
Seine Orgelbauten, besonders das Instrument für die Abteikirche Grüssau
Michael Engler (1666-1760) erbaute ab 1720 etwa 40 Orgeln, davon vier mit drei Manualen: Brieg, St. Nikolaus (1724-30; 52 Register); Grüssau, Zisterzienserkirche (1732-36; 50 Register); Olmütz, St. Mauritius (1745; 41 Register); Breslau, St. Elisabeth (1750-61; 54 Register). Die Werkstatt-Tradition wurde vom Sohn Gottlieb Benjamin (1734-1793) und vom Enkel Johann Gottlieb Benjamin (1775-1829) fortgesetzt. Der Artikel bringt Dispositionen, eine ausführliche Beschreibung der Orgel von Grüssau, eine Registrieranweisung für für die Grüssauer Orgel und eine Charakterisierung des Orgelbaustils von Engler.
[Acta Organologica 26, 1998, 217-242]