Veranstaltungen

Gesellschaft der Orgelfreunde e. V.

57. Internationale Orgeltagung in Prag

2. August bis 8. August 2009


Tagungsleitung: Prof. Jaroslav Tůma, Dr. Petr Koukal, Jiři Kocourek

Tschechien - bestehend aus den historischen Ländern Böhmen und Mähren und kleiner Gebiete Schlesiens - hat als Orgellandschaft eine jahrhundertelange, reichhaltige Tradition. Die Orgeltagung 2009 stellt Ihnen die Landschaft Böhmen mit der Landeshauptstadt Prag als repräsentativen Querschnitt vom ältesten bis zum jüngsten Instrument (1587-2007) vor. Die heutige Orgellandschaft Böhmen wird vor allem durch das Zeitalter des Barock geprägt. Das Königreich Böhmen wurde nach dem verlorenen antihabsburgischen Krieg 1618-20 Teil der Donaumonarchie. Die orgelbauliche Entwicklung ab etwa 1650 stand ganz unter dem Zeichen des Katholizismus und der Gegenreformation und glich sich stark an den Orgelbau Österreichs und Süddeutschlands an. Ein großer Teil der Kirchen wurde neu gebaut oder zumindest barockisiert. Von teils überreicher künstlerischer Ausstattung ist das Kircheninnere, auch die Orgelprospekte spiegeln Pracht und Lebensfreude des Barock wieder. Neben vielen kleinen Positiven entstanden repräsentative große Orgelanlagen, im 18. Jahrhundert in der typischen Anlage mit Rückpositiv, freistehendem Spieltisch und geteiltem Hauptgehäuse. Kurze Oktaven, keine Pedalkoppel, Zungenstimmen nur selten in den größten Orgeln, dafür eine reichhaltige 8'- und 4'-Besetzung und bis zum 1' voll ausgebaute Principalchöre sind typisch für böhmische Barockorgeln. Im 19. Jahrhundert gewannen nach 1870 Ideen des Cäcilianismus Raum. Wie in Deutschland konzentrierte sich auch in Böhmen gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Orgelbau zunehmend in großen Firmen (Rieger, Schiffner, Petr, Tucek, Melzer, Zaus u. a.) und glich sich stilistisch dem in Deutschland verbreiteten spätromantischen  Orgeltyp  an. Der Prospektpfeifenausbau 1918 fand auch in Böhmen statt, jedoch blieben neben barocken auch etliche Instrumente des 19. Jahrhunderts verschont. Verspätet und zögerlich setzte die Orgelbewegung ein, vor allem von den Firmen Rieger und später auch Melzer und Tucek gefördert. Die kommunistische Machtübernahme  1948 führte zu einer drastischen Beschränkung der Kirchgemeinden und ihrer orgelbaulichen Möglichkeiten, unterbrach aber auch den Anschluss an den (west)europäischen Orgelbau. Viele Instrumente konnten wenig oder nicht mehr gepflegt werden und verwahrlosten. Eine Reihe von Instrumenten ging verloren oder wurde umgesetzt, Reparaturen und Modernisierungen fanden teils auf fraglichem Niveau statt, einige Firmen bauten noch bis Anfang der 1990er Jahre pneumatische Kegelladen. Seit 1990 gewinnen jedoch zunehmend wieder hochwertige Maßstäbe im Orgelbau an Bedeutung. Mit denkmalgerechten Restaurierungen und auch stilvollen Neubauten haben sich Orgelbauer wie Šlajch, Kánský & Brachtl, Michek u. a. einen guten Ruf geschaffen.

Die Orgeltagung im "Goldenen Prag" stellt Ihnen eine der schönsten und lebendigsten Hauptstädte Europas mit einem unvergleichlich reichen Schatz an Kunstwerken einschließlich Orgeln vor. Zwei lange Exkursionen führen zu den wichtigen Orgellandschaften in Süd- und Westböhmen mit ihren herausragenden barocken und romantischen Orgeln. Für besonders Interessierte steht jeweils eine Verlängerungsvariante bereit. Eine kleine dritte Exkursion erschließt die älteste böhmische Orgel. Die Tage zwischen den Exkursionen stellen die Orgeln in Prag zu Fuß bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln vor und mit ihnen die herrliche Stadt in all ihrer Vielfalt. Einige weitere Orgeln können unterwegs individuell aufgesucht werden.
Ein Interpretationsseminar wird speziell die registrier- und spieltechnischen Besonderheiten  einer typisch böhmischen Orgel mit gebrochener Oktave (CDE-d''', mit den Tönen D+Fs und E+Gs als halbierte Obertasten) anhand der Barockorgel in der Kirche Šimon & Juda thematisieren. Ein Symposium beleuchtet die besondere Situation von Orgelbau, Denkmalpflege, Kirchenmusik und Nutzung der Orgeln in Böhmen.

Lassen Sie sich herzlich nach Prag und Böhmen einladen und genießen Sie ein herrliches Land mit prächtigen Kirchen und klangschönen Orgeln!

Ihre Tagungsleiter

Jaroslav Tůma, Petr Koukal, Jiři Kocourek

 


TAGUNGSPROGRAMM   (Änderungen vorbehalten)

 

Sonntag, 2. August 2009 - Prag

13.00 UhrFührung durch die Altstadt und das jüdische Viertel.
16.00 UhrEröffnung der Tagung in der Klosterkirche von Prag-Strahov.
20.00 UhrEröffnungskonzert:Prag-Brevnov, Sv. Markéta (Kánský & Brachtl, 2007, III/34), anschl. Empfang im Klostergelände.
  

Montag, 3. August 2009 - Orgelstadt Prag I

Orgelvorführungen (ohne Bus):

Prag, Dom Sv. Vít (Melzer, 1929-31, III/58), Prag-Hradčany, Loreta (Leopold Spiegel, 1718, II/18), Prag-Karlín, Sv. Cyril & Metoděj (Josef Prediger, 1864, & Emanuel Šimon Petr, 1898-99, III/61), Prag-Vinohrady, Sv. Ludmila (E. Š. Petr, 1898, III/46), Prag-Vyšehrad, Sv. Petr & Pavel (Gebr. Paštika, 1903, III/49).

  

Dienstag, 4. August 2009 - Südböhmen

Exkursion:

Miličín (Bedřich Semrád, 1755, II/17), Zlatá Koruna, Klosterkirche (1. Starck, 1699, II/20, 2. Anonymus um 1780/Doubek, I/7), Český Krumlov, Stadtkirche (1. Anonymus, 1716, II/12, 2. Heinrich Schiffner, 1908, III/45), Český Krumlov, Minoritenkirche (Nicolaus Christeindl, 1682, II/21).
Nur mit Anmeldung:Český Krumlov, Schloss (1. Kapelle: Bedřich Semrád, 1750, 2. Flur: Anonymus, um 1700, Io/4) mit Kurzbesichtigung des Schlosses und Führung durch das hist. Barocktheater).
Verlängerung:Vyšší Brod, Klosterkirche (1. Leopold Breinbauer, 1892, II/32, 2. Leopold Breinbauer, um 1905, I/8). Ankunft in Prag ca. 23.30 Uhr.
  

Mittwoch, 5. August 2009 - Orgelstadt Prag II

09.00 - 18.00 UhrInterpretationsseminar: Prag, Šimon & Juda (Andreas Wambesser, 1724, II/20): Böhmische und süddeutsche Barock-Orgelmusik an Orgeln mit kurzer bzw. gebrochener Oktave.
09.00 - 12.30 UhrSymposium: Prag-Malá strana, HAMU (Lichtenstein-Palast): Vorträge zum böhmischen Orgelbau und Orgelmusik.
13.00 - 16.30 UhrOrgelvorführungen (ohne Bus): Prag-Staré Město, Sv. Bartoloměj (Vladimír Šlajch, 2000, II/17), Prag-Staré Město, Sv. Kliment (Anton Streit, 1719, II/16), Prag-Staré Město, Frantisek Serafinský (Abraham Starck, 1702/05, II/14).
17.00 Uhrnur mit Anmeldung:
Prag-Malá strana, Musikinstrumentenmuseum (1. Joseph Gartner, 1847, I/5, 2. Besichtigung der 6 Orgelpositive).
20.00 UhrPrag-Malá strana, Šimon & Juda (Andreas Wambesser, 1724, II/20), Konzert mit Petr Rajnoha und den Seminarteilnehmern.
  

Donnerstag, 6. August 2009 - Westböhmen

Exkursion:

Plasy, Klosterkirche (Abraham Starck, 1699, II/28), Kladruby, Klosterkirche (Leopold Burkhardt, 1726, II/24), Cheb, Stadtkirche (Martin Zaus, 1894, III/41), Cheb, Konzerthalle Sv. Klára (Rieger-Kloss, 1974, III/49).
Verlängerung: Teplá, Klosterkirche (1. Anton Gartner, 1756, III/34, 2. Anton Gartner, 1756/66, I/14). Ankunft in Prag ca. 23.30 Uhr.
  

Freitag, 7. August 2009

09.00 UhrMitgliederversammlung, Prag-Malá strana, HAMU. anschl. Orgelvorführung (Rieger-Kloss, 1993, III/41).
Kurzexkursion:Smečno (Anonymus, 1587, I/13).
Orgelvorführungen (ohne Bus):
Prag, Obecní Dúm, Smetana-Saal (Voit, 1912, III/70), Prag, Sv. Týn (Heinrich Mundt, 1673, II/29): Konzert.
  

Samstag, 8. August 2009

09.30 UhrPrag, Sv. Jakub, Ökumenischer Abschlussgottesdienst Rieger-Kloss, 1982, IV/91).
  

Organisten: Wolfgang Baumgratz, Eva Bublová, Petr Čech, Pavel Černý, Irena Chřibková, Jan Doležel, Christoph Grohmann, Pavel Kohout, Josef Kšica, Miroslav Pšenička, Petr Rajnoha, Vladimir Roubal, Tomáš Thon, Jaroslav Tůma, Adam Viktora, u. a.