Recherchen
Das Orgelmuseum in Borgentreich
Am 20. September 1980 wurde im klassizistischen ehemaligen Rathaus (1850) in Borgentreich zum ersten Mal in Deutschland ein Orgelmuseum eröffnet. Den Anstoß hierzu gab die Existenz der größten Barockorgel Westfalens in der gegenüberliegenden Pfarrkirche St. Johannes Baptist.
Das Konzept
Ziel der Planungen des Organologen Prof. Dr. Rudolf Reuter aus Münster (gest. 1983) war von Beginn an nicht eine Sammlung verschiedener Orgeln. Vielmehr sollte ein didaktisches Konzept allen Interessierten, Fachleuten wie Laien, Einblicke in die Funktionsweise der Orgel, ihren klanglichen Aufbau, handwerkliche Herstellung und geschichtliche Entwicklung vermitteln. Dazu dient in sieben Ausstellungsräumen Abbildungen und kurzen, leicht verständlichen Texten hauptsächlich eine Reihe von Modellen und historischen Exponaten der verschiedenen Komponenten einer Orgel, die größtenteils vom Besucher selbst betätigt werden können und dadurch Einblicke in die komplexen Zusammenhänge ermöglichen. Außerdem ist ein Vortragssaal vorhanden.
Klang
Mehrere Windladen mit insgesamt 64 klingenden Pfeifen verschiedener Bauart und unterschiedlicher Fußtonzahl führen den Besucher in das Klanggeheimnis der Orgel ein. Ausgehend vom Prinzip der Einzeltonpfeife lernt er am Aufbau eines Plenums Grundsätze des Registrierens kennen. Anhand der kleinstmöglichen Pfeife und einer offenen 32'-Pfeife erlebt er die Grenzbereiche des menschlichen Gehörs. Abgerundet wird dieser Bereich durch die Darstellung verschiedener Intonations- und Stimmungsmöglichkeiten.
Querschnitte durch verschiedene Pfeifentypen, Schmelzofen und Gießlade mit Schlitten, Platten unterschiedlicher Legierung, diverse Werkzeuge zur Pfeifenbearbeitung sowie der Prozess der Pfeifenherstellung in der "Werkstatt des Orgelbauers" verdeutlichen die handwerkliche Arbeit.
Technik
Anhand von aufgeschnittenen Originalteilen, klingenden Modellen sowie historischen Exponaten werden die Funktionsweisen zahlreicher Windladentypen nachvollziehbar. Die Funktion der Schleiflade und ihre Bauart im Detail, das Prinzip der Kegellade und deren pneumatische Steuerung (an einem Modell von 1910 aus dem Lehrerseminar in Dorsten), die pneumatische Taschenlade und eine elektropneumatische Membranenwindlade veranschaulichen den Erfindergeist der Orgelbauer zu verschiedenen Zeiten. Die doppelte Springlade, wie sie sich in der Borgentreicher Pfarrkirchenorgel findet, wird anhand eines Modells dargestellt. Für das Jahr 2001 ist die Aufstellung von drei klingenden Springladenmodellen nach unterschiedlichen historischen Vorbildern vorgesehen.
Die Exponate zur Ansteuerung des Klangapparats werden mit Spielanlagen verschiedener Epochen und verschiedensten Trakturmodellen - von der hängenden Traktur über eine Barkermaschine bis zur Darstellung der elektronischen Setzeranlage - etlichen im Lauf der Geschichte verwendeten Ausprägungen gerecht.
Die Orgel - ein Instrument für jedermann
Da die Orgel zu allen Zeiten als kulturelle Manifestation die Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Stellung, miteinander verband, werden auch einige volkstümliche Aspekte der Orgel beleuchtet. Glockenspiel und Zimbelstern, Vogelgezwitscher und Cuculus halten die weltlichen Bezüge der Orgel lebendig. Hierzu gehört auch eine kleine Sammlung mechanischer Orgeln, die mit zwei Flötenuhren, einer Serinette und einer Drehorgel vier walzengesteuerte Instrumente des 19. und 20. Jahrhunderts umfasst.
Die "Symbiose" des Museums mit der berühmten Orgel
Von Beginn an hat sich zwischen dem in Trägerschaft der Stadt Borgentreich stehenden Museum und der Orgel in der Pfarrkirche ein fruchtbares Miteinander entwickelt. Die Verbindung zwischen allgemeinverständlicher Einführung in die Herstellung, Funktion und Geschichte der Orgel mit der klanglichen Vorführung einer der bedeutendsten historischen Orgeln Europas ist ein Unikum von herausragender Bedeutung. Deshalb ist auch die anstehende Restaurierung der aus dem Kloster Dalheim stammenden Barockorgel aus dem 17./18. Jahrhundert eine Herausforderung, der sich neben der Kirchengemeinde und der Stadt Borgentreich auch ein aus mittlerweile über 210 Mitgliedern bestehender Förderverein verpflichtet fühlt.
Statistisches und Strukturelles
Jedes Jahr finden rund 4000 Interessierte verschiedenster Herkunft den Weg in das Borgentreicher Orgelmuseum mit günstiger Verkehrsanbindung (A 44 Kassel - Dortmund).
Seit 1993 wird das Museum in Personalunion vom Kantor der Kirchengemeinde hauptamtlich betreut.
Bis zum heutigen Tag ist das seit der Eröffnung gezeigte Engagement der Stadt Borgentreich ungebrochen. Hierdurch bleibt der Fachwelt wie auch interessierten Nichtfachleuten eine Bildungsstätte erhalten, die zum Verständnis für das Instrument Orgel einen wichtigen Beitrag leistet.
Anschrift:
Orgelmuseum Borgentreich
Marktstraße 6
D-34434 Borgentreich
Tel: +49-5643-1212 (während der Öffnungszeiten, sonst Anrufbeantworter).
Museumsleitung:
Kantor Jörg Kraemer
Holtrupper Weg 20
D-34434 Borgentreich
Tel. +49-5643-339, Fax -637
E-Mail: Kraemer-Borgentreich(at)t-online.de
Öffnungszeiten:
Donnerstag - Sonntag 14.00 - 17.00 Uhr.
Samstag auch 10.00 - 12.00 Uhr.
November bis März nur Samstag und Sonntag.
Führungen und Orgelvorführungen sind jederzeit, auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich, müssen jedoch zuvor mit der Museumsleitung vereinbart werden.
Eintrittspreise:
Erwachsene 3,00 Euro
Gruppen ab 10 Personen 2,50 Euro
ermäßigt 1,50 Euro.
Mindesteintritt bei Führungen 36,00 Euro.
Auskunft:
Stadtverwaltung Borgentreich
Tel. +49-5643-8090, Fax -80990
E-Mail: info(at)borgentreich.de, Internet: http://www.borgentreich.de/
Jörg Kraemer
[Kurzfassung der Artikels "Das Orgelmuseum in Borgentreich" in: Ars Organi 49, 2000, S. 217-219.]