Hermann Fischer, Studiendirektor i. R., geb. am 15. März 1928, ist am 5. November 2020 in Aschaffenburg verstorben.
Nachruf
Mit ihm verliert die bunte und weite Welt der Orgel einen herausragenden Forscher und einen wunderbaren Menschen. Er kannte nicht nur in seiner Heimat praktisch jede Orgel und ihre Geschichte, sein Blick reichte weit darüber hinaus. In jeder Hinsicht war er neugierig, egal ob es sich um Fragen nach Standorten gotischer Instrumente, die Architektur der Orgel in alter und neuer Zeit, Positive in allen Formen, Repetitionspunkte von Mixturen, Baumerkmale und viele andere Fachfragen handelte. Er verstand sich als Generalist und hatte ein perfektes System, mit dem er Wissen gesammelt hat und stets verstehbar erklären konnte. Man durfte ihn jederzeit anrufen, nach den entlegensten Instrumenten fragen. Spontan kam ein Hinweis, den er schnell anhand seines akribisch und stets aktualisierten Karteikartensystems oder aus seinen vielen, auf Reisen gemachten Skizzenheften in allen Details präzisieren konnte. Er hat unfassbar viel zusammengetragen und gewusst.
Geboren 1928 in Kranlucken, Thüringen, hatte er schon früh angefangen, sich für Orgeln zu interessieren, ausgehend von der 1797 von Johann Adam Östreich gebauten Orgel seines Heimatdorfes. In Fulda machte er nach dem Krieg sein Abitur, studierte in Würzburg die Fächer Geographie und Chemie und wurde in Aschaffenburg Gymnasiallehrer. Dennoch, das „Orgelvirus“ hatte ihn gepackt und bis zuletzt nicht mehr losgelassen. Für ihn waren nicht nur Archivforschung, sondern auch die konkreten Instrumente wichtig. Mit wenigen Strichen hat er charakteristische Merkmale eines Gehäuses gezeichnet und so erfasst, dass er sie mit anderen Orgeln vergleichen und viele bis dahin anonyme Instrumente einer Schule zuordnen konnte. Ideologie, aus der heraus bis heute mitunter Orgelstile etwa als „Fabrikorgel“ oder als „dekadent“ verurteilt werden, war ihm völlig fremd. Er bedauerte es nur, wenn besondere Instrumente aus Unkenntnis verändert oder entsorgt wurden.
Seine große Begabung war es, sein Wissen präzise und sachlich zu beschreiben. Dies zeigt sich in unendlich vielen Aufsätzen, die er, häufig im Autorenduo mit Theodor Wohnhaas (1922-2011), in regionalen Zeitschriften veröffentlicht hat. Diese ließ er in umfassende Orgeltopographien, Biographien und Werkverzeichnisse von Orgelbauern und mehrere Orgelbaulexika münden. Seine letzten Monographien über die Werkstatt Steinmeyer sowie über die fränkischen Orgelbauer Schlimbach und Seuffert konnte er noch publizieren. Für eine weitere über die Werkstatt Voit in Schweinfurt und Durlach schloss er das Manuskript noch ab und las es Korrektur. Das Buch erscheint demnächst. Sein Gesamtwerk ist eine Fundgrube, ein Schatz für die Organographie.
Hermann Fischer war allen ein guter Freund, gastfreundlich, hilfsbereit und nicht nur in Fragen von Orgelbau und -geschichte ein wunderbarer Ratgeber. Bis zuletzt hellwach und interessiert, wird er nun wohl im Himmel alle Orgeln präzise beschreiben und dann sogar mit den entsprechenden Orgelbauern fachsimpeln können.
Danke, Hermann!
Hans-Wolfgang Theobald